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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 10.09.2008
Aktenzeichen: 9 U 3/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 253
ZPO § 538 Abs. 2
1. Bezeichnet der Kläger irrtümlich einen falschen - aber tatsächlich existierenden - Beklagten, hat das Gericht den wirklichen Willen des Klägers auf der Grundlage des gesamten Inhalts der Klage(begründungs)schrift sowie etwa beigefügter Anlagen auszulegen. Für die Verweigerung einer Berichtigung des Passivrubrums ist in solchen Fällen kein Raum. Der falsche Beklagte wird durch die Zustellung der Klageschrift nicht Partei, sondern bleibt Scheinbeklagter.

2. Hat das erstinstanzliche Gericht die Klage gegen den Scheinbeklagten abgewiesen, stellt dies regelmäßig ein unzulässiges Teilurteil dar, das die Aufhebung und Zurückweisung nach § 538 II 1 Nr. 7 ZPO erforderlich macht.


Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Bürgschaft in Anspruch.

In dem vorausgehenden Mahnverfahren hat der Kläger als Antragsgegnerin die gegenüber der Beklagten rechtlich selbstständige Scheinbeklagte "...-Versicherung AG" angegeben. Dieser wurde auch der Mahnbescheid zugestellt. Im streitigen Verfahren hat die Scheinbeklagte ihre Passivlegitimation bestritten. Die Beklagte ist bisher am Rechtsstreit nicht beteiligt worden.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen, da ein Anspruch aus einem Bürgschaftsvertrag gegenüber der Scheinbeklagten unzweifelhaft nicht bestehe. Eine Berichtigung des Rubrums - wie von der Klägerin beantragt - komme nicht in Betracht.

Zur Urteilsbegründung im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 247 ff d.A.) Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Berufung des Klägers.

Der Kläger trägt vor:

Das Landgericht habe die Berichtigung des Beklagtenrubrums zu Unrecht verweigert. Die unrichtige Parteibezeichnung sei unschädlich und sogar von Amts wegen zu berichtigen gewesen, da vorliegend kein Zweifel darüber bestehen konnte, dass Partei die "...-Allgemeine Versicherung AG" ist.

Wegen seines Vortrags im Einzelnen wird auf die Schriftsätze vom 14.03.2008 (Bl. 287 ff d.A.), 22.05.2008 (Bl. 311 f d.A.) und 13.08.2008 (Bl. 333 f d.A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.040,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.06.2003 zu zahlen.

Die Scheinbeklagte hat zuletzt beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen ihres Vortrags wird auf die Schriftsätze vom 25.04.2008 (Bl. 300 ff d.A.), 22.07.2008 (Bl. 331 f d.A.) sowie 26.08.2008 (Bl. 342 ff d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Wahre Beklagte in diesem Rechtsstreit ist die "...-Allgemeine Versicherung AG" geworden und nicht die "...-Versicherung AG", die lediglich als Scheinbeklagte zu behandeln ist.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist zwischen einer falschen Bezeichnung des richtigen Beklagten und der Auswahl eines falschen, nämlich nicht passivlegitimierten Beklagten, zu unterscheiden. Im ersten Fall ist eine Berichtigung durch Auslegung möglich, im zweiten Fall kann der Fehler nur durch eine Klageänderung in der Form des Parteiwechsels behoben werden (BGH, Urteil vom 27.11.2007, X ZR 144/06). Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist vorliegend eine Berichtigung der Parteibezeichnung vorzunehmen.

Als Teil einer Prozesshandlung ist auch die Parteibezeichnung grundsätzlich der Auslegung zugänglich. Dabei ist maßgeblich, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht des Gerichts und der gegnerischen Partei zu verstehen ist. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der Klägerseite in der Klageschrift gewählten Bezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist.

Dabei sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwa beigefügter Anlagen zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 27.11.2007, X ZR 144/06 m.w.N.).

Von der fehlerhaften Parteibezeichnung zu unterscheiden ist die irrtümliche Benennung einer falschen, am materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person als Partei; diese wird Partei, weil es entscheidend auf den objektiv geäußerten Willen der Klägerseite ankommt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine berichtigende Auslegung dann nicht in Frage kommt, wenn irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden juristischen Person gewählt worden ist (BGH, Urteil vom 27.11.2007, X ZR 144/06 m.w.N.).

Vorliegend hätte das Landgericht nach Abgabe des Verfahrens aus dem Mahnverfahren aus der als Anlage zur Klagebegründungschrift überreichten Bürgschaftsurkunde (Bl. 33 d.A.) erkennen können, dass der Kläger tatsächlich die "...-Allgemeine Versicherung AG" in Anspruch nehmen wollte und nicht die Scheinbeklagte. Danach war bereits zu diesem Zeitpunkt erkennbar, dass der Kläger die Gegenseite sowohl im Mahnverfahren als auch zu Beginn des streitigen Verfahrens irrtümlich falsch bezeichnet und mit der - tatsächlich existierenden - Scheinbeklagten verwechselt hatte. Unzweifelhaft deutlich wurde dies spätestens im weiteren Verlauf des Rechtsstreits, nachdem die Scheinbeklagte ihre Passivlegitimation in Frage gestellt und der Kläger mit Schriftsatz vom 29.05.2007 (Bl. 180 ff d.A.) beantragt hatte. Das Landgericht hätte danach das Rubrum entsprechend berichtigen und der wirklichen Beklagten die Klageschrift zustellen müssen. Dies hat es im Zuge der erneuten Verhandlung nachzuholen.

Die Scheinbeklagte hat im Übrigen durch die Zustellung der Klageschrift an sie nicht die Stellung der beklagten Partei erlangt (BGH, Urteil vom 27.11.2007, X ZR 144/06 m.w.N.).

Dem Senat ist eine eigene Sachentscheidung nicht möglich. Dies liegt bereits daran, dass die (wirkliche) Beklagte bisher gar nicht am Rechtsstreit beteiligt ist. Es bleibt daher nur die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung an das Landgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung nach Zustellung der Klageschrift an die Beklagte.

Dies ergibt sich zum einen aus § 538 II 1 Nr. 3 ZPO. Über ihren Wortlaut hinaus findet die Vorschrift Anwendung, wenn über einen sachlichen Anspruch zu Unrecht aus prozessualen Gründen nicht entschieden wurde, weil sonst die Parteien eine Instanz verlieren würden (BGHZ 11, 222; BGH NJW 1984, 128; OLG Düsseldorf NJW-RR 1990, 1040; LG Duisburg, Urteil vom 28.06.2007, 5 S 74/06). Auch vorliegend hat sich das Landgericht aus prozessualen Gründen an einer Sachentscheidung gehindert gesehen.

Zum anderen erfordert jedoch § 538 II 1 Nr. 7 ZPO die Zurückverweisung in Fällen der vorliegenden Art. Danach ist davon auszugehen, dass ein Urteil gegen den falschen Beklagten einem unzulässigen Teilurteil gleichsteht, weil über den Anspruch gegen den wahren Beklagten ohne Grund nicht entschieden wurde (OLG München, NJW 1971, 1615; LG Duisburg, Urteil vom 28.06.2007, 5 S 74/06).

Weil sich die Zurückverweisung danach auch aus § 538 II 1 Nr. 7 ZPO ergibt, bedarf es eines entsprechenden Antrags von Seiten der Parteien gemäß § 538 II 3 ZPO nicht.

Da die Scheinbeklagte ihren zunächst mit Schriftsatz vom 25.04.2008 (Bl. 306 ff d.A.) gestellten Antrag auf Entlassung aus dem Prozessrechtsverhältnis mit Schriftsatz vom 26.08.2008 (Bl.343 ff d.A.) ausdrücklich zurückgenommen hat, konnte der Senat diese - allein sachgerechte - Folge nicht aussprechen. Gleichzeitig war es dem Senat auch verwehrt, die bisher angefallenen außergerichtlichen Kosten der Scheinbeklagten der Klägerin aufzuerlegen. Beides wird das Landgericht nachzuholen haben, wenn die Scheinbeklagte in der erneuten Verhandlung (wieder) einen entsprechenden Antrag stellt. Allerdings wird dabei zu berücksichtigen sein, dass außergerichtliche Kosten der Scheinbeklagten, die nach der Zurücknahme des Antrages auf Entlassung aus dem Rechtsstreit entstanden sind, nicht mehr der Klägerin auferlegt werden können, weil sie nicht mehr einer zweckdienlichen Rechtsverfolgung entsprechen.

Auch über die (übrigen) Kosten des Berufungsverfahrens wird das Landgericht bei der neuen Entscheidung zu befinden haben.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 26. Auflage, § 708 Rn. 12 sowie § 713 Rn. 2).

Ende der Entscheidung

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